Welche Laufschuhe soll ich kaufen?

Die Wahl des richtigen Laufschuhs scheint eine Wissenschaft für sich zu sein, und viele machen die „falschen Schuhe“ gerne verantwortlich für Beschwerden oder Verletzungen. Um dies zu vermeiden, werden nicht selten Fußgelenke, Beinachsen oder Lauftechnik mit aufwendigen Apparaten analysiert, um den „perfekten Schuh“ zu finden. Aber ist das wirklich notwendig? Wie kannst du den richtigen Schuh für dich finden? Und welche weiteren Faktoren spielen wichtige Rollen bei Laufverletzungen?

Die üblichen Verdächtigen: Pronation und Dämpfung

Immer noch werden häufig Laufschuhe anhand der (statischen) Fußstellung empfohlen. Knickt der Fuß nach außen (Supination) oder innen (Pronation), soll er mithilfe des geeigneten Schuhs in eine neutrale Position gebracht werden, um so eine mögliche Verletzungsgefahr zu vermindern. Die neutrale Fußposition soll demnach die optimale Position sein – soweit die Theorie. Es hat sich allerdings gezeigt, dass ein leicht supinierter oder pronierter Fuß eine völlig normale anatomische Form darstellt und nicht häufiger zu Verletzungen neigt, als eine neutrale Fußform. Es scheint sogar, dass ein leicht pronierter Fuß etwas weniger anfällig ist, als ein Fuß in neutraler Position. Erst ab einer Abweichung von mehr als 10° in Pronation ist das Verletzungsrisiko erhöht und sollte entsprechend von den Schuhen unterstützt werden. (1,2)

Das rechte Bein in verschiedenen Fußstellungen

„Ok gut, also eine leichte Pronation ist ganz normal und bedarf keiner besonderen Beachtung beim Schuhkauf. Dann schaue ich jetzt, dass der neue Schuh eine ordentliche Dämpfung hat, ja?“, werden manche jetzt vielleicht sagen. – „Hmm, nee auch nicht unbedingt“, sage ich. Aber auch hier klingt der Grundgedanke ja erst einmal logisch: Mithilfe von Luftkissen, Gelpolstern oder anderen dämpfenden Materialien sollen die auftretenden Aufprallkräfte abgefedert und so die Gelenke beim Laufen entlastet werden. Aber obwohl die Laufschuhindustrie seit Jahrzehnten die Dämpfung ihrer Schuhe weiterentwickelt hat, sind die Laufverletzungen nicht weniger geworden. Folglich gibt es auch wissenschaftlich keine Belege über einen positiven Einfluss einer Schuhdämpfung auf Laufverletzungen. (1)

Eine Forschergruppe um Kulmala fand heraus, dass ein stark gedämpfter Schuh im Vergleich zu einem konventionellen Schuh sogar zu einer Verstärkung, anstatt einer Verringerung der Aufprallkräfte führt. Dieses „Schuh Dämpfungs-Paradox“ wird darauf zurückgeführt, dass Läufer mit stärker gedämpften Schuhen automatisch weniger mit ihren Gelenken abfedern. (3)

Passt, wackelt und hat Luft

Es klingt eigentlich zu simpel, um wahr zu sein, aber offensichtlich ist das beste Kriterium für die Wahl des richtigen Schuhs der eigene „Komfort-Filter“. Das Militär der USA hatte immer häufiger Probleme mit vielen Laufverletzungen und hat daher entsprechende Forschung betrieben. In einer Serie von Studien an über 7000 Soldatinnen und Soldaten hat sich gezeigt, dass es keinen Zusammenhang von den anhand der Fußtypen empfohlenen Schuhen und der Verletzungshäufigkeit gibt. Sie kommen zu dem Schluss, dass das Schuhwerk „gut passen“ und „komfortabel“ sein sollte. (4,5)

Unabhängig der Fußform kann der Komfort eines Schuhs jedoch sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. So gibt es Läufer mit pronierten Füßen, die eine Pronationsstütze mögen und andere wiederum nicht. Letztendlich gilt: Sind die Schuhe bequemer, ist auch das Risiko von Verletzungen reduziert. Und es wird noch besser: Der Komfort eines Schuhs wirkt sich nicht nur positiv auf das Verletzungsrisiko aus, sondern auch auf deine Performance! Mit bequemen Laufschuhen verbrauchst du nämlich weniger Sauerstoff und läufst somit effizienter. (1)

Wenn’s nicht an den Schuhen liegt, woran dann?

Wahrscheinlich sind die Schuhe also gar kein so großer Faktor, wie viele glauben. Viel wichtiger bei der Ursachenforschung von Verletzungen oder Beschwerden ist ein Check der Trainingsprogramme. Denn der größte Risikofaktor für eine Laufverletzung ist eine vorangegangene Laufverletzung. (6) Vor allem eine zu schnelle Steigerung von Umfang und Intensität des Trainings sind hierbei sehr häufig ausschlaggebend. In diesen Fällen empfehle ich meist, das Training vorerst zu reduzieren oder Teile davon als Aquajogging-Einheiten ins Wasser zu verlegen. So verschaffst du den überlasteten Strukturen die nötige Regeneration. Wenn sich die überlasteten Strukturen dann wieder beruhigt haben, gilt es sie mit gezielten Übungen auf die bevorstehenden Belastungen vorzubereiten. Das ist meist der Schlüssel.

Das Finetuning mit den Schuhen

Laufschuhe sind zwar selten das Hauptproblem von Beschwerden, aber ein gewisses „Finetuning“ der Schuhe ist oft durchaus sinnvoll und kann dabei halfen, dein Problem in den Griff zu bekommen. Behalte aber bei den folgenden Tipps den „Komfort-Filter“ im Hinterkopf und sei dir bewusst: Ein neuer Schuh wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der alleinige Problemlöser sein. 

Ein guter Laufshop könnte dir folgende Ratschläge geben:

  • Hast du sehr viel Druck auf der Innenseite des Fußes, dann wäre ein Schuh mit einer leichten Unterstützung an der Innenseite vermutlich sinnvoll (Pronationsstütze). (7)
  • Wenn du sehr viel läufst, kann es hilfreich sein, zwischen verschiedenen Modellen zu wechseln, um Verletzungen und Überlastungen vorzubeugen.
  • Wenn du während oder nach dem Laufen Schmerzen an der Achillessehne hast, kann eine Fersenerhöhung im Schuh oder ein Schuh mit einer größeren Sprengung helfen. (8)
  • Hast du beim Laufen Schmerzen an der Kniescheibe, versuche es mit einem Schuh mit geringerer Sprengung, um die Kniescheibe zu entlasten.
  • Sind deine Zehenballen oder Mittelfuß überlastet, dann versuche (zumindest für einige Zeit), etwas weniger über den Vorfuß zu laufen. Ein Schuh oder eine Einlage mit etwas mehr Unterstützung in diesem Bereich könnten helfen.

Referenzen

  1. Nielsen RO, Buist I, Parner ET, et al. (2014) Foot pronation is not associated with increased injury risk in novice runners wearing a neutral shoe: A 1-year prospective cohort study. Br J Sports Med;48:440–7.
  2. Nigg BM, Baltich J, Hoerzer S, Enders H. (2015) Running shoes and running injuries: mythbusting and a proposal for two new paradigms: ‘preferred movement path’ and ‘comfort filter’.Br J Sports Med;49:1290–1294. doi:10.1136/bjsports-2015-095054
  3. Kulmala JP, KosonenJ,Nurminen J,Avela J.(2018). Running in highly cushioned shoes increases leg stiffness and amplifies impact loading.Scientific Reports8:17496 DOI:10.1038/s41598-018-35980-6
  4. Molloy,JM. (2016).Factors Influencing Running-Related Musculoskeletal Injury Risk Among U.S. Military Recruits.Med.Jun;181(6):512-23. doi: 10.7205/MILMED-D-15-00143.
  5. Knapik JJ, Trone DW, Tchandja J, et al.(2014) Injury-reduction effectiveness of prescribing running shoes on the basis of foot arch height: summary of military investigations. J Orthop Sports Phys Ther ;44:805–12.
  6. Saragiotto BT, Yamato TP, Hespanhol Jnr LC,Rainbow MJ, Davis I,Lopes AD.(2014).What are the Main Risk Factors for Running Related Injury?Sports Med DOI 10.1007/s40279-014-0194-6
  7. Brund RBK, Rasmussen S, Nielsen RO, Kersting UG, Laessoe U, Voigt M.(2017). Medial shoe-ground pressure and specific running injuries: A 1-year prospective cohort study. J Sci MeSport.Sep;20(9):830834.doi:10.1016/j.jsams.2017.04.001.
  8. Rabusin CL, Menz HB, McClelland JA, et al (2020) Efficacy of heel lifts versus calf muscle eccentric exercise for mid-portion Achilles tendinopathy (HEALTHY): a randomised trial British Journal of Sports Medicine Published Online First: 28 September 2020. doi: 10.1136/bjsports-2019-101776