Keine Zeit zu Trainieren? Mehr Kraft mit minimalem Aufwand

Regelmäßiges Krafttraining hat viele positive Effekte auf die Gesundheit. Verbesserte Funktionen des Bewegungsapparats, positive Einflüsse auf das Herzkreislauf-System sowie die mentale Gesundheit sind nur einige davon (1,2). Aus diesem Grund empfehlen viele internationale Leitlinien regelmäßiges Krafttraining für die Allgemeinheit (3).

Viele Leute schaffen es trotzdem nicht regelmäßig zu trainieren. Zeitmangel spielt dabei oft die größte Rolle. Fehlende Zeit ist eine der häufigsten Barrieren, um ein regelmäßiges Krafttraining durchzuführen. Ein klassisches Kraft- und Hypertrophieprogramm aller Muskelgruppen für untrainierte oder fortgeschrittene Erwachsene umfasst 2-4 Sätzen von 8-10 Übungen mit 3-12 Wiederholungen und 2-5 Minuten Satzpausen. Inklusive Warm-up und Cool-down dauern traditionelle Trainingsprogramme zur Kraftsteigerung meist länger als eine Stunde und das für mehrere Sitzungen pro Woche. Die Frage, die sich aus diesem Dilemma ergibt, ist also: Wie könnte ein Kräftigungsprogramm aussehen, mit dem du zeiteffizient von den Vorteilen eines solchen Trainings profitieren kannst? Eine Übersichtsarbeit von Iversen et. al hat sich diesem Thema angenommen und zeigt, wie ein effektives Krafttraining mit minimalem Zeitaufwand und ohne viel Equipment möglich ist (4).

Frequenz und Volumen – Wie oft?

Klassische Programme empfehlen 2-3 mal pro Woche zu trainieren. Allein das kann viele schon davon abhalten, überhaupt zu trainieren. Spannenderweise hat sich aber gezeigt, dass du bei gleichem Trainingsvolumen ähnliche Trainingseffekte mit nur einem Training pro Woche erzielen kannst. So konnte in Vergleichsstudien gezeigt werden, dass es bei gleichem Trainingsvolumen keinen signifikanten Unterschied im Kraftzuwachs gibt, egal ob ich 1 mal, 2 mal oder mehr als 3 mal pro Woche trainiere. Sogar „Micro-Trainings“ (z.B. 15 Minuten) über die Woche verteilt scheinen einen ähnlichen Effekt auf die Verbesserung der Kraft zu haben, wie klassische Trainingseinheiten (5,6).

Diese Erkenntnisse lassen uns darauf schließen, dass weniger die Häufigkeit des Trainings, als vielmehr das Volumen (Anzahl der Sätze) pro Woche der entscheidende Faktor für ein zeiteffizientes Training ist.

Andere Studien zeigen wiederum, dass sogar ein einziger Satz, der 3 mal pro Woche ausgeführt wird, effektiv Kraft und Muskulatur aufbauen (7,8).

Natürlich kann mit einem höheren Trainingsvolumen ein größerer Trainingseffekt erzielt werden. Wenn es aber darum geht, mit möglichst geringem Aufwand eine signifikante Steigerung der Kraft zu erzielen, dann gelingt dies bereits mit weniger als 5 Trainingssätzen pro Muskelgruppe pro Woche. 

Die Studie von Iversen et al empfiehlt mindestens 4 wöchentliche Sätze pro Muskelgruppe. Diese Sätze können beliebig innerhalb einer Woche durchgeführt werden – alle 4 an einem Tag, oder über die Woche hinweg verteilt – der Effekt ist nahezu derselbe. Diese Erkenntnis eröffnet enorme Möglichkeiten in der Planung von Trainings in der Therapie (4).

—> Versuche mindestens 4 Serien pro Muskelgruppe und Woche auszuführen!

Intensität – wie viel?

Über viele Jahre hat man geglaubt, dass Krafttraining stark abhängig von der Intensität ist. Schwere Lasten mit niedrigen Wiederholungszahlen zur Steigerung der Maximalkraft und niedrigere Lasten mit mehr Wiederholungen zur Verbesserung der Kraftausdauer.

Es zeigt sich jedoch, dass Muskeln sich ähnlich gut aufbauen lassen, ganz unabhängig von der Anzahl der Wiederholungen. Entscheidend ist vielmehr ein hohes Maß an Anstrengung bei der Ausführung, sowie die Anzahl der gemachten Sätze (9). 

Bezüglich der Maximalkraftsteigerung sind höhere Intensitäten allerdings konsistent erfolgreicher. Gerade beim Anfänger können aber auch niedere Intensitäten relevante Effekte haben. Auch wenn aufgrund bestimmter Erkrankungen (z.B. Arthrose) hohe Intensitäten nicht möglich sind, bietet ein Training mit niedrigen Gewichten und hohen Wiederholungszahlen eine gute Alternative.

Mit Blick auf die Zeiteffektivität ist ein Training mit weniger Wiederholungen allerdings zu bevorzugen.

—> Präferiere höhere Lasten für Kraft und Hypertrophie (6-12 Wiederholungen) 

Übungen mit dem besten Effekt

Wenn ich mich bei YouTube und Co so umschaue, scheint die Auswahl an Übungen schier unendlich zu sein. Welche Übungen sollte ich also machen? Und welche Geräte oder Hilfsmittel benötige ich dafür?

Unter dem Gesichtspunkt der Zeitknappheit ist es sinnvoll beidseitige, mehrgelenkige Übungen zu trainieren. Die Kniebeuge ist ein klassisches Beispiel hierfür. Im Vergleich zu einseitigen, eingelenkigen Übungen (z.B. Bizeps Curl) adressieren diese in kürzerer Zeit mehr Muskelmasse. Isolierte, einseitig ausgeführte Übungen sind ebenso effektiv, benötigen aber mehr Zeit (10). 

Welche Geräte du für dein Training einsetzt ist dabei nicht entscheidend. Hast du bereits eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio? Gut! Dann nutze doch die dort vorhandenen Kraftmaschinen. Hast du noch ein paar Hanteln zu Hause liegen? Auch prima – übe damit! Oder bist du lieber im Freien und trainierst mit elastischen Bändern und deinem Körpergewicht? Es gibt nichts, was dagegen spricht. Nutze das, was du zur Verfügung hast und was dir Spaß macht!

—> Führe mindestens 3 beidseitig ausgeführte mehrgelenkige Übungen aus – 1x untere Extremität, 2x obere Extremität. Beispiel: Kniebeuge, Vorgebeugtes Rudern, Bankdrücken 

Zeit in den Pausen sparen

Klassische Trainingsprogramme empfehlen zwischen den Trainingssätzen Pausenzeiten von 2-5 Minuten für Maximalkrafttraining, 1-2 Minuten für Hypertrophietraining und 30-60 Sekunden für Kraftausdauertraining. Eine Übersichtsarbeit von Grgic et al. In 2017 fand allerdings heraus, dass Pausenzeiten unter einer Minute auch schon deutliche Kraftzugewinne sowohl bei Untrainierten als auch bei Trainierten produziert. Die Arbeit fand außerdem heraus, dass bei untrainierten Personen Satzpausen von 1-2 Minuten ausreichen, um den Kraft Zugewinn zu maximieren (11).

Pausen zwischen den Sätzen sind also wichtig, um die Anpassungseffekte deiner Muskulatur zu optimieren. Wenn du aber die passive Zeit weiter minimieren willst, ohne Abstriche bei der Effektivität deines Trainings hinzunehmen, dann kannst du das mit folgenden Methoden tun:

  1. Supersets – Es werden mehrere Sätze nacheinander für den Agonisten (z.B. Flies und Bankdrücken) oder den Agonisten (z.B. Bizeps Curls) und Antagonisten (z.B. Trizeps Push-Down) im Wechsel durchgeführt. Dabei gibt es zwischen Übung A und B jeweils keine Pause. Nachdem beide Übungen durchgeführt sind, folgt eine Satz-Pause.
  2. Drop-Sets –  Nach einem ausgeführten Trainingsset wird die Last reduziert und ohne Pause der nächste Satz begonnen. Typischerweise werden bei jedem Satz die Lasten um 20-25 Prozent reduziert und die Sätze bis zur muskulären Ermüdung durchgeführt.

Warm up und Stretching – ist das notwendig?

Ein allgemeines Aufwärmen wird häufig zum Start einer Trainingssession empfohlen. Es soll den Körper und Geist auf die bevorstehenden Anforderungen vorbereiten, die Leistungsbereitschaft verbessern und das Verletzungsrisiko minimieren. Obwohl ein generelles Warm-up von Vielen empfohlen wird, ist die Evidenz in Bezug auf das Krafttraining sehr begrenzt und sollte deshalb bei Zeitknappheit nicht im Vordergrund stehen. Eine Ausnahme bildet aber sicherlich das Training mit sehr schweren Lasten( > 80 % der maximalen Last). Hier erscheint ein spezifisches Aufwärmen durchaus sinnvoll. 

Regelmäßiges Stretching ist effektiv, um die Beweglichkeit zu verbessern. Es wird aber auch gerne von Trainern zu Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Verletzungsprävention und Verringern von Muskelkater verkauft. Keines dieser Versprechen wird allerdings von der Forschung unterstützt. Im Gegenteil wissen wir, dass statisches Dehnen sogar zur akuten Reduzierung der Kraft führt (12). Dehnen sollte nur dann einen Platz im Training haben, wenn ein wichtiges Ziel darin besteht, die Beweglichkeit zu verbessern, da das Krafttraining an sich schon Verbesserungen in diesem Bereich fördert.

Kurz und knapp

Wenn du nur begrenzte Zeit für ein Krafttraining hast, solltest du ≥ 4 wöchentliche Sätze pro Muskelgruppe im Bereich eines 6–15er Wiederholungsmaximums trainieren. Wenn das Training bis zur willkürlichen Erschöpfung durchgeführt wird, kann auch ein Wiederholungsbereich von 15–40 verwendet werden. 

Durch die Ausführung von bilateralen, mehrfachgelenkigen Übungen können alle wichtigen Muskelgruppen mit nur drei Übungen angesprochen werden (z. B. Kniebeuge, Bankdrücken und Rudern). 

Das Training kann in einer einzigen oder mehreren kürzeren Einheiten durchgeführt werden – je nach deinen Vorlieben und Zeitfenstern. Darüber hinaus können fortgeschrittene Trainingstechniken wie Drop-Sets oder Supersätze verwendet werden, um das Trainingsvolumen auf zeiteffiziente Weise zu erhöhen. 

Um die Trainingszeit weiter zu verkürzen, kannst du auf Dehnen und ein allgemeines Aufwärmen verzichten und das spezifische Aufwärmen auf die erste Übung der jeweiligen Muskelgruppe beschränken.

Referenzen:

  1. Ratamess NA, Alvar BA, Evetoch TK, Housh TJ, Kibbler WB, Kraemer WJ, et al. ACSM: Progression models in resistance training for healthy adults. Med Sci Sport Exer. 2009;41(3):687– 708. https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e3181915670. 
  2. Williams MA, Haskell WL, Ades PA, Amsterdam EA, Bittner V, Franklin BA, et al. Resistance exercise in individuals with and without cardiovascular disease: 2007 update: a scientific statement from the American Heart Association Council on Clinical Cardiology and Council on Nutrition, Physical Activity, and Metabolism. Circulation. 2007;116(5):572–84. https://doi.org/ 10.1161/circulationaha.107.185214. 
  3. WHO guidelines approved by the guidelines review committee. Global recommendations on physical activity for health. Geneva: World Health Organization. Copyright (c) World Health Organization 2010.; 2010. 
  4. Iversen VM, Norum M, Schoenfeld BJ, Fimland MS. No Time to Lift? Designing Time-Efficient Training Programs for Strength and Hypertrophy: A Narrative Review. Sports Med. 2021 Jun 14. doi: 10.1007/s40279-021-01490-1
  5. Kilen A, Hjelvang LB, Dall N, Kruse NL, Nordsborg NB. Adaptations to short, frequent sessions of endurance and strength training are similar to longer, less frequent exercise sessions when the total volume is the same. J Strength Cond Res. 2015;29(Suppl 11):S46-51. https://doi.org/10.1519/jsc.0000000000001110.
  6. Kilen A, Bay J, Bejder J, Breenfeldt Andersen A, Bonne TC, Larsen PD, et al. Impact of low-volume concurrent strength training distribution on muscular adaptation. J Sci Med Sport. 2020;23(10):999– 1004. https://doi.org/10.1016/j.jsams.2020.03.013.
  7. Hass CJ, Garzarella L, de Hoyos D, Pollock ML. Single versus multiple sets in long-term recreational weightlifters. Med Sci Sports Exerc. 2000;32(1):235–42.
  8. Carpinelli RN, Otto RM. Strength training. Single versus multiple sets. Sports Med (Auckland, NZ). 1998;26(2):73–84. https:// doi.org/10.2165/00007256-199826020-00002.
  9. Schoenfeld BJ, Grgic J, Ogborn D, Krieger JW. Strength and hypertrophy adaptations between low- vs. high-load resistance training: a systematic review and meta-analysis. J Strength Cond Res. 2017;31(12):3508–23. https://doi.org/10.1519/jsc.00000 00000002200.
  10. Paoli A, Gentil P, Moro T, Marcolin G, Bianco A. Resistance training with single vs. multi-joint exercises at equal total load volume: effects on body composition, cardiorespiratory fitness, and muscle strength. Front Physiol. 2017;8:1105. https://doi.org/ 10.3389/fphys.2017.01105.
  11. Grgic J, Schoenfeld BJ, Skrepnik M, Davies TB, Mikulic P. Effects of rest interval duration in resistance training on measures of muscular strength: a systematic review. Sports Med. 2018;48(1):137–51. https://doi.org/10.1007/s40279-017-0788-x.
  12. Garber CE, Blissmer B, Deschenes MR, Franklin BA, Lamonte MJ, Lee IM, et al. American College of Sports Medicine position stand. Quantity and quality of exercise for developing and maintaining cardiorespiratory, musculoskeletal, and neuromotor fitness in apparently healthy adults: guidance for prescribing exercise. Med Sci Sport Exer. 2011;43(7):1334–59. https://doi. org/10.1249/MSS.0b013e318213fefb.